Sofia Binias arbeitete lange in der Qualitätssicherung für Herzschrittmacher beim Hersteller Biotronik. In der Technologieentwicklung ist sie heute maßgeblich an der Kreation neuer aktiver Implantate beteiligt. Auch sie ist Teil unsere Serie, in der wir Pionierinnen in der Medizintechnik vorstellen.
„Meine beiden Lieblingsfächer waren immer schon Mathe und Physik“, erinnert sich Sofia Binias an ihre Schulzeit. Die beiden Fächer haben gemeinsam, dass man Rätsel löst, eine Eigenschaft, die sie seit jeher anzog – umso komplizierter das Rätsel, desto besser. „Mein Physikstudium ist aus meiner Leidenschaft heraus entstanden“, erzählt sie. Und diese Leidenschaft hält bis heute an.
Nach dem Studium arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Grundlagenforschung. „Da habe ich gemerkt, dass es zu lange dauert, bis die Erkenntnisse, die wir in unseren Experimenten gewonnen haben, tatsächlich Realität werden“, erzählt Binias. So entschied sie sich dafür, in die Industrie zu wechseln, damit ihre Forschung schneller Gestalt annimmt. „Biotronik ist es geworden, weil es einer der zentralen Industrieakteure in der Hauptstadt ist“, sagt sie. „Ich bin in Berlin aufgewachsen und wollte gerne bleiben.“ Justage der Fasereinkopplung eines Festkörperlasers.
Wenn Beruf und Leidenschaft übereinstimmen
Diese Wahl erwies sich für Binias schnell als Glücksgriff. Bei Biotronik fand ihre Kreativität und Leidenschaft für Rätsel offene Ohren. Denn im Ingenieursbereich ist man ständig damit beschäftigt, Probleme zu erkennen und Lösungen für sie zu finden. Dazu kommen bestimmte Produkt- und Kundenanforderungen. „Dafür kreativ und erfinderisch zu werden, passt absolut in meine Leidenschaft. Dann ist es plötzlich kein Arbeiten mehr, sondern eine Berufung.“
In der Qualitätssicherung arbeitet Binias insgesamt zwölf Jahre. Dieser Arbeitsbereich passt gut zu ihrem Perfektionismus und „Optimierungswahn“, wie sie es nennt. „Wir sorgen dafür, dass die Produkte so hergestellt werden, dass sich keine Fehler einschleichen“, erzählt sie. Kaum eine Abteilung hat wohl einen so tiefen Produkteinblick. In der Qualitätssicherung prüfen sie die Schrittmacher auf Herz und Nieren, angefangen von den verschiedenen Komponenten bis zur Überwachung der einzelnen Produktionsschritte. Dabei kommen an vielen Stellen sogenannte 100-Prozent-Tests zum Einsatz. „Das heißt, jedes Gerät wird für sich getestet, nicht per Strichprobe. Das ist aufwändig, aber wir machen das gerne, weil wir nur auf diese Art sicherstellen können, dass alle Herzschrittmacher auf dem Markt funktionieren und keine Fehler aufweisen. Das ist unser Anspruch und deswegen überprüfen wir jedes einzelne Produkt“, erklärt Binias.
Die Ergebnisse aus den Tests nutzt Biotronik auch für die Entwicklung neuer Produkte. „Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es mir Spaß macht, selbst an dieser Verbesserung mitzuwirken“, erzählt Binias. Schon während ihrer Zeit in der Qualitätssicherung begleitete sie gerne Kollegen aus der Produktentwicklung, somit lag ein Wechsel auf die „andere Seite“ auf der Hand. Ein sinnvoller Schritt, denn sie weiß, was und wie getestet wird und kann das in der Entwicklung berücksichtigen.
Mit Kreativmeetings zur Problemlösung
„Mein Tag als Gruppenleiterin klingt nicht so spannend, weil er aus lauter Meetings besteht, die sich aneinanderreihen“, erzählt Binias. Die Inhalte der Meetings machen für die Produktentwicklerin aber das Spannende aus. Das können Abstimmungen und Feedbacks für neue Ideen, aber auch bereits realisierte Produkte mit Laborergebnissen sein. „Ich bin auch mal auf einer Messe, um neue Inspiration zu suchen oder gehe auf eine Schulung, aber grundsätzlich es ist ein eher theoretischer Job.“
Trotzdem kann sich die Produktentwicklerin kreativ austoben, wenn es um Technologien für die Implantate der Zukunft geht. Diese sollen neue Funktionen aufweisen, aber auch kleiner für den Patienten werden. Und zukünftig soll die KI Ärzte bei der Diagnostik noch besser unterstützen können.
Aktive Implantate: Implantierbarer Defibrillator (vorne), Herzschrittmacher (hinten links), Implantierbarer Herzmonitor (hinten rechts).
Neben alltäglichen Meetings hält die Gruppenleiterin auch regelmäßig sogenannte Kreativmeeting bei Biotronik ab. Daran darf jeder aus dem Unternehmen teilnehmen, auch aus anderen Abteilungen, denn es gilt: je inhomogener die Gruppe, desto interessanter die Ideen. Diese Ideen sollen zu kreativen Lösungen für Fragen aus dem Ingenieursbereich führen. „Jeder soll aufschreiben, was ihm in den Kopf kommt und es ist ganz wichtig, dass man nicht zu viel nachdenkt. Man soll im wahrsten Sinne des Wortes spinnen, wie man das Problem lösen würde“, erklärt die Produktentwicklerin. Binias möchte Kreativität vermitteln und damit andere anstecken. Sie sieht in der Kombination aus Experten und Nichtexperten und dem Verlassen der eigenen Fachblase großes Potenzial, neue Felder zu erschließen.
Internes Mentoring für alle!
Abgesehen von ihren Meetings in der Produktentwicklung betreibt die Gruppenleiterin auch Mentoring innerhalb von Biotronik – mit Nachwuchskolleginnen und -kollegen aus ihrer Abteilung. Als Mentorin kitzelt Binias dann die individuellen Talente aus ihrem Gegenüber heraus. „Insbesondere weibliche Nachwuchstalente möchte ich fördern und rate allen, denen MINT Spaß macht, es einfach auszuprobieren. Im schlimmsten Fall scheitert man, aber im besten Fall kommt man weiter.“ Und wie weit man mit Leidenschaft und Durchsetzungsvermögen kommt, hat Sofia Binias bewiesen.