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Innovative Wege: Industrie 4.0 als Katalysator für Fortschritt und Effizienz

Industrie 4.0 steht für eine tiefgreifende Digitalisierung und Automatisierung in der Produktion. Für die Medizintechnik sind drei Bereiche von besonderem Interesse: digitale Zwillinge, Robotik und insbesondere Cobots sowie die Modularisierung der Fertigung.

Digitale Zwillinge fungieren als virtuelle Repräsentationen physischer Systeme, wie beispielsweise medizinischer Geräte, und übertragen in Echtzeit Daten über jene Geräte, um Simulationen und Analysen zu ermöglichen. Cobots, sogenannte kollaborative Roboter, werden in der Zusammenarbeit mit medizinischem Personal eingesetzt, unter anderem unterstützen sie bereits bei Operationen. Und auch die modulare Produktion spielt eine große Rolle bei der Automatisierung von Prozessen in der Medizintechnik. Hier geht es darum, bereits bei der Fertigung von medizinischen Geräten effizienter und flexibler zu werden. Durch diese Technologie kann schneller auf sich verändernde Anforderungen reagiert werden.

Wie digitale Zwillinge die Prozessoptimierung vorantreiben

Technische Produkte, die in der Medizin eingesetzt werden, verlangen höchste Qualität, Sicherheit und nachgewiesenen Nutzen. Die Entwicklung von Medizintechnik folgt strengen Regularien. Ein digitaler Zwilling hilft hier bei der Optimierung. Digitale Zwillinge medizinischer Geräte sind eine virtuelle Nachbildung oder ein digitaler Prototyp des tatsächlichen Geräts, der alle wichtigen Eigenschaften, Funktionen und Verhaltensweisen des realen Geräts genau abbildet. Dies ermöglicht es, das Gerät virtuell zu testen, zu analysieren und zu optimieren, bevor es tatsächlich hergestellt oder eingesetzt wird. Dadurch sind eine detaillierte Simulation und Analyse von Produktionsabläufen möglich. In der Medizintechnik eröffnen sich hierdurch vielfältige Chancen zur Feinabstimmung und Verbesserung von Herstellungsprozessen.

VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Analgenbauer e.V., Frankfurt 07.11.2016 (c) Team Uwe Nölke | Fotografie & Film für Menschen & Unternehmen, D-61476 Kronberg, Brunnenweg 21, T +49 6173 321413, look@team-uwe-noelke.de, www.team-uwe-noelke.de
Niklas Kuczaty, VDMA       © Team Uwe Nölke


Die präzise Simulation erlaubt beispielsweise die Erkennung potenzieller Engpässe und Fehlerquellen und ermöglicht auch die Optimierung von Parametern für maximale Effizienz. „Ein offensichtlicher Vorteil ist die Geometrie“, sagt Niklas Kuczaty, Geschäftsführer der AG Medizintechnik bei VDMA, dem Medizintechnik-Netzwerk der Zuliefererindustrie. „Wie kann ich das Produkt designen? Der Mediziner hat eine Idee, aber oft muss vorher geschaut werden, ob man die Produktionstechnologie dafür überhaupt hat. Dafür ist die Simulation natürlich hilfreich. Das erfordert allerdings eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Produktionstechnikzulieferern und Medizinern, weil die Bedarfe der Medizin abgeglichen werden müssen mit dem, was produktionstechnisch möglich ist.“

Nicht nur für ein Produkt werden digitale Zwillinge zur Prozessoptimierung eingesetzt. Auch Fertigungslinien können basierend auf digitalen Zwillingen geplant werden. Laut Stefan Pflaum, Leiter Product & Lifecycle Excellence Global bei Siemens Healthineers, werden digitale Zwillinge von Fertigungsprozessen heute schon in vielen Bereichen erfolgreich eingesetzt. So wurde beispielsweise das neue Technologie- und Fertigungs-Zentrum für Röntgenstrahler und Generatoren am Standort Forchheim umfassend auf Basis von digitalen Zwillingen entwickelt. Dadurch konnten die komplexen Fertigungsprozesse bereits im Computer optimiert und aufeinander abgestimmt werden, noch bevor die Fabrik gebaut wurde. Damit konnte u. a. der Raumbedarf der Produktionslinien bereits flexibel auf die zukünftig geplanten Kapazitäten ausgelegt werden.

Stefan Pflaum
Stefan Pflaum, Siemens Healthineers


Außerdem können durch eine digitale Simulation, basierend auf einer exakten digitalen Modellierung der Medizingerätefunktionen im Computer, in kürzerer Zeit sehr viel mehr Erkenntnisse erlangt werden, die durch Validierung mit der Realität eine gleichwertige Aussagekraft bekommen. „Damit kann einerseits die Entwicklungszeit von Medizinprodukten verkürzt, wertvolle Innovationen schneller auf den Markt gebracht und damit für die klinischen Anwender und letztlich die Patienten früher verfügbar gemacht werden. Andererseits werden weniger Prototypen, Muster, Ressourcen und Material während der Entwicklungsphase verbraucht. Dies führt zu einer positiven Bilanz bei den Entwicklungskosten sowie zu höherer Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Sicherstellung höchster Qualität“, sagt Pflaum.

Ein weiteres Beispiel ist das sogenannte „Virtual Sensing“. „In einem wichtigen Reinigungsschritt in der Fertigung werden Vakuum-Öfen eingesetzt, die das Ausgangsmaterial auf über 1.000 °C erhitzen. Dabei die genaue Temperatur zu treffen, ist ein wichtiger Qualitätsparameter. Allerdings ist es nicht wirtschaftlich, ein physisches Thermometer einzusetzen. Durch Virtual Sensing kann während der Produktion durch eine indirekte Messung des Stroms und unter Zuhilfenahme eines Modells auf eine tatsächlich erreichte Temperatur zurückgeschlossen werden“, erklärt Dr. Oliver Welzel, Senior Key Expert Digital Twin Product Lifecycle Management bei Siemens Healthineers. Virtual Sensing funktioniert, indem es vorhandene Daten über ein System analysiert und daraus Schlussfolgerungen über unbekannte Variablen, wie eben die Temperatur, zieht. Dies geschieht in der Regel mithilfe von mathematischen Modellen oder Algorithmen, die das thermische Verhalten des Systems beschreiben. Diese Modelle können vorhandene Daten und Parameter wie Umgebungstemperatur, Wärmestrahlung, Luftstrom und andere Einflussfaktoren berücksichtigen.

Dr. Oliver Welzel, Siemens Healthineers
Dr. Oliver Welzel, Siemens Healthineers

Durch eine digitale Simulation können, basierend auf einer exakten digitalen Modellierung der Medizingerätefunktionen im Computer, in kürzerer Zeit sehr viel mehr Erkenntnisse erlangt werden, die durch Validierung mit der Realität eine gleichwertige Aussagekraft bekommen. „Damit können einerseits die Entwicklungszeit von Medizinprodukten verkürzt, wertvolle Innovationen schneller auf den Markt gebracht und damit für die klinischen Anwender und letztlich die Patienten früher verfügbar gemacht werden. Andererseits werden weniger Prototypen, Muster, Ressourcen und Material während der Entwicklungsphase verbraucht. Dies führt zu einer positiven Bilanz bei den Entwicklungskosten sowie zu höherer Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Sicherstellung höchster Qualität“, sagt Pflaum.

Doch auch nach der Entwicklungsphase von medizinischen Geräten sind digitale Simulationen sehr wertvoll. Denn viele Medizinprodukte – gerade die Großgeräte in der Diagnostik – sind in der Regel weiterhin digital mit dem Hersteller vernetzt, wenn sie in den Krankenhäusern oder medizinischen Einrichtungen in Betrieb gehen. „Das bedeutet, dass wir über ein digitales Monitoring frühzeitig Indikatoren für Fehlfunktionen bzw. einen notwendigen Verschleißteil-Austausch bekommen“, sagt Welzel. „Mit digitalen Zwillingen der jeweiligen Medizinprodukte vor Ort können wir noch schneller eine Fehleranalyse und eine effektive, effiziente Reparatur durchführen, bzw. proaktiv einen Service-Termin mit dem Kunden vereinbaren, bevor ein Defekt entsteht und den Termin auch so planen, dass der Patientenbetrieb so wenig wie möglich gestört wird. Dadurch sind wir in der Lage, die Verfügbarkeit unserer Produkte im Krankenhaus sowie in den medizinischen Einrichtungen noch besser sicherzustellen.“

Von der Entwicklung neuer medizinischer Geräte bis zur Fertigung komplexer Einzelprodukte – digitale Zwillinge tragen dazu bei, die Qualität zu steigern, Produktionszeiten zu verkürzen und Kosten zu optimieren. Dieser technologische Fortschritt verspricht nicht nur eine verbesserte Leistung in der Medizintechnik, sondern ebnet auch den Weg für präzisere und zuverlässigere Lösungen. Insgesamt ermöglicht die Fortschreibung der Prozessoptimierung durch digitale Zwillinge eine voranschreitende Entwicklung in der Medizintechnik, von der sowohl die Industrie als auch die Patienten unmittelbar profitieren können. Und die Anwendungsmöglichkeiten gehen weit über die beschriebenen Einsatzfelder hinaus: „Unser sogenannter ,Digital Transport Twin' lässt uns auf Basis der Kundenaufträge sowie Lieferzusagen den günstigsten Logistikpfad und Transportmittel identifizieren und so auch den CO2-Fußabdruck optimieren“, sagt Pflaum.

Mensch und Maschine im Einklang: Cobots in der Medizintechnik

Die Integration kollaborativer Roboter, auch bekannt als Cobots, in die Medizintechnik markiert einen bahnbrechenden Fortschritt für die Branche. Cobots ermöglichen eine sichere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine und ihre Anwendungsbereiche erstrecken sich über die gesamte medizinische Produktion und Forschung. Es wird unterschieden zwischen Robotern, die medizinische Tätigkeiten ausführen – bei ihnen handelt es sich um ein Medizinprodukt – und Robotern, die in der Produktion von Medizinprodukten unterstützen. Diese brauchen keine Zertifizierung.

In der Fertigung tragen Cobots dazu bei, repetitive Aufgaben zu automatisieren, was nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch das Arbeitsumfeld für das Personal verbessert. „Anwendungsgebiete können das Heben schwerer Komponenten sein oder das Zusammensetzen von sehr kleinteiligen Elementen. Auch monotone Aufgaben sind hier für den Cobot in der Produktion geeignet: Alles, wo ein Teil stundenlang mehrfach von A nach B gesetzt werden muss sowie Aufgaben, in die nicht stetig durch den Menschen eingegriffen werden muss“, sagt Kuczaty.

Jennifer Schlichting ©Stäubli
Jennifer Schlichting, Stäubli Tec-Systems  © Stäubli


Als Medizinprodukt zeigen Cobots ihr Potenzial bei der Durchführung präziser und empfindlicher Aufgaben, auch hier unterstützt durch menschliche Kontrolle. Beispielsweise in der Chirurgie, wo Cobots Instrumente oder Hilfsmittel sehr präzise positionieren können. Laut Jennifer Schlichting, Business Developer Medical Robotics bei Stäubli Tec-Systems, erreichen Stäubli Roboter eine Genauigkeit von 0,3 mm, das schafft ein Mensch nicht, da selbst bei hoher Konzentration die Hände immer leicht zittern. „Davon profitieren Patienten, weil es so zu weniger Komplikationen, weniger Schmerzen und einer schnelleren Genesung kommt“, schlagt Schlichting. „Zudem können Roboter in der Bildgebung eingesetzt werden, indem zum Beispiel hochauflösende Kamerasysteme mit dem Roboter verbunden werden. Der Roboter von Stäubli wurde von der Firma BHS aus Innsbruck mit einer Kamera verbunden und erleichtert so den Ärzten den Einblick ins Operationsfeld, ohne dass sich der Arzt dabei nach vorne beugen muss.“

Im Operationsraum kann der Roboter dann eine Position sehr genau anfahren. Diese Position kann mithilfe eines Navigationssystems überprüft werden und mit der Bildgebung wie einem Röntgensystem oder Ultraschallsystem kombiniert werden. Das medizinische Personal kann also exakt vorgeben, in welchem Winkel welcher Punkt angefahren werden soll und dies mithilfe der Bildgebung kontrollieren oder überwachen. „Roboter erhalten die Zielkoordinaten und können dann den Bewegungsablauf automatisch abfahren, wie zum Beispiel die genaue Platzierung eines Biopsiekanals, sodass das medizinische Personal nur noch die Nadel setzen muss“, erklärt Schlichting.

Cobots können mit diversen Sensoren ausgestattet werden: Beispielsweise mit Kraft-Momenten-Sensoren, die es dem Anwender ermöglichen, den Roboter per Hand an einen gewissen Punkt zu fahren oder ein Instrument auf einer exakten Linie ein Stück weiter hinten oder weiter vorne zu positionieren, wie es beim Roboter von Stäubli Tec-Systems der Fall ist.

Zusätzlich zu ihren „Augen“, ihrer Kamera, sollen Roboter als Medizinprodukte künftig auch einen Tastsinn erhalten. Das Start-up Unternehmen SURAG, eine Ausgründung aus dem Universitätsklinikum Magdeburg, ist in den letzten Jahren auf ein System gekommen, das die Navigation bei Nadelintervention anhand von Vibration unterstützen soll. Zum Beispiel muss bei Epidural- oder Spinalanästhesie ohne Bildgebung die Nadel in einen Bereich der Wirbelsäule eingestochen werden, in dem viele Nervenbahnen verlaufen und sich weitere anatomische Strukturen befinden, die nicht verletzt werden sollten. Bis ein Arzt das durchführen kann, erfordert es enorm viel Erfahrung und Übung. „Vibrationen werden generiert, wenn eine Nadel mit Gewebe interagiert. Jede Gewebeschicht hat unterschiedliche mechanische Eigenschaften, daher erzeugt jede Schicht eine andere Schwingung, wenn man mit der Nadel durchsticht. Wir haben also einen Sensor entwickelt, der so sensitiv ist, dass er Schwingungen erfassen und interpretieren kann, die der Mensch nicht wahrnimmt. Der kann dann Rückmeldung darüber geben, in welcher Struktur du angekommen bist. Das kann zum Beispiel der Spinalraum sein. Der ist von einer Schicht umgeben, die eine bestimmte Art von Vibration erzeugt“, sagt Moritz Spiller, CEO bei SURAG.

Moritz Spiller, Surag
Moritz Spiller, SURAG


Diese Sensorik ist für die Neurologie oder die Anästhesie geeignet. Dadurch soll die Anzahl der Einstichversuche reduziert und Zeit gespart werden. In manchen Fällen muss beispielsweise ein CT Bild gemacht werden, was im Ablauf des Krankenhauses nicht eingeplant ist und auch zusätzliche Kosten verursacht. „Es gibt schon viele Roboter mit Bilderkennungsalgorithmen, die in verschiedenen Bereichen Einzug finden. Eine Kamera hat vielleicht 120 Bilder pro Sekunde, wohingegen unsere Tasttechnologie 44.000 Werte pro Sekunde erfassen kann. So können Prozesse erfasst werden, die nicht sichtbar sind. Die Anforderungen an die Hardware sind minimal und auch die zu verarbeitenden Datenmengen bleiben gering im Vergleich zu einem HD Video“, sagt Spiller. Es gab bereits Versuche mit Da Vinci, dem weltweit am häufigsten eingesetzten roboter-assistierten Operationssystem. Hier soll die Sensorik von SURAG zukünftig autonom pulsierende Blutgefäße aufspüren, die heute für den Operateur nur schwer zu erkennen sind. In der offenen Chirurgie hat man das zuvor einfach vor dem Schneiden mit den Händen ertastet, was mit dem Roboter ohne Tastsinn natürlich nicht mehr geht.

Nicht zuletzt können kollaborative Roboter vielfältige Aufgaben in der medizinischen Rehabilitation übernehmen. Hier unterstützen Cobots das medizinische Fachpersonal bei der Durchführung verschiedener therapeutischer Übungen und Aktivitäten für Patienten. Ihre präzise und sichere Arbeitsweise ermöglicht es, Bewegungen und Widerstände genau zu steuern, was besonders wichtig ist, wenn es um die Wiederherstellung von Muskelkraft und Beweglichkeit geht. Cobots helfen auch in der Reha dabei, repetitive Aufgaben zu automatisieren, entlasten das medizinische Personal und ermöglichen es ihnen, sich stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten zu konzentrieren. Darüber hinaus können sie auch als Assistenzgeräte dienen, um Patienten bei der Bewältigung ihres Alltags zu unterstützen, beispielsweise beim Gehen oder beim Greifen von Gegenständen. „In der Rehabilitation kann ein Roboter zum Beispiel dabei helfen, ein Glas zum Mund zu führen, wenn ein Patient das nicht mehr selbst schafft“, sagt Schlichting. Insgesamt tragen Cobots dazu bei, die Effektivität und Effizienz der medizinischen Rehabilitation zu steigern und den Patienten eine verbesserte Genesung und Lebensqualität zu ermöglichen.

Die Flexibilität und die enorm hohe Genauigkeit von Cobots ermöglichen also in vielen medizinischen Bereichen eine Anpassung an sich ändernde Anforderungen, was in der dynamischen Medizintechnik von entscheidender Bedeutung ist. Zusätzlich bietet der Einsatz bei langen Operationen den Vorteil, Pausenzeiten zu reduzieren, da die Maschine eine gleichbleibende „Konzentration“ besitzt.

Diese kollaborativen Roboter tragen somit nicht nur zur Effizienzsteigerung bei, sondern eröffnen auch neue Horizonte für innovative Lösungen in der Medizintechnik. Ihr Einsatz verspricht eine transformative Entwicklung, die die Branche in Richtung fortschrittlicher Technologien und patientenzentrierter Innovationen lenkt.

Modulare Fertigungsprozesse für Effizienz und Flexibilität

Die Einführung modularer Fertigungsprozesse in der Medizintechnik sorgt für effizientere und flexiblere Produktionsabläufe. Durch die Anwendung solcher Herstellungstechnologien können Unternehmen in der Branche auf sich verändernde Anforderungen schneller reagieren. Die Modularität erlaubt es, einzelne Komponenten flexibel zu kombinieren und anzupassen, was die Anpassungsfähigkeit an individuelle Kundenanforderungen verbessert. Medienberichten zufolge ist beispielsweise durch die Corona-Pandemie der Anspruch gewachsen, Einmalprodukte wie Pipettenspitzen möglichst effizient zu fertigen. Die MA Micro Automation GmbH hat als Spezialist für Automationen daher eine modulare Lösung für bis zu 64 Kavitäten auf den Markt gebracht: die Centauri IVD. Im 24/7-Betrieb können hier Stillstandszeiten der Maschine vermieden werden. Für die USA werden derzeit von MA Micro Automation mehrere dieser Automationslinien ausgebaut und auch der asiatische Markt soll bedient werden.

„In der Metallverarbeitung, sagen wir bei der Herstellung von Implantaten, ist die Stückzahl verhältnismäßig klein. Und auch bei personalisierter Medizintechnik, wenn das Produkt sehr passend auf den Patienten zugeschnitten wird, ist eine modulare Produktionslinie sinnvoll“, sagt Niklas Kuczaty. Vorstellbar ist bei modularen Produktionslinien sehr viel – doch es muss am Ende natürlich auch wirtschaftlich sein. Wirtschaftlich lohnt sich so eine Produktionsanlage eher in der Automobilindustrie, wo viel höhere Stückzahlen produziert werden. „Die meisten Kosten in der Medizintechnik liegen nämlich in der Zertifizierung und nicht in der Produktion – daher bringt es oft nicht viel Mehrwert, wenn in der Herstellung ein paar Cent gespart werden. Zwar wollen Hersteller automatisierter werden, häufig rechnet es sich aber nicht.“

Laut Trumpf, einem der Technologieführer bei Werkzeugmaschinen, stehen Medizintechnikhersteller in Bezug auf Produktionsbedingungen und rechtliche Regularien vor enormen Herausforderungen. Das liegt unter anderem am sehr hohen Qualitätsanspruch, da die Sicherheit der Patienten in dieser Branche natürlich an erster Stelle steht. Und auch seit Einführung von Richtlinien wie der MDR (Medizinprodukteverordnung) ist die Entwicklung medizinischer Geräte nochmals komplizierter geworden. Denn für die Gerätehersteller bedeutet das laut Onlinemagazin healthcare-digital einen höheren Aufwand, insbesondere für Dokumentation und Zulassung. Das Team von Solectrix, ein Designhaus für Embedded-Systeme, hat daher beschlossen, künftig vermehrt auf einen Baukastensystem-Ansatz bei der Entwicklung von medizinischen Geräten zu setzen. Dabei wird die Systementwicklung auf der Grundlage modularer Einzelsysteme durchgeführt. Das vorrangige Ziel besteht darin, die Entwicklungszeit und -kosten im Interesse der Kunden zu reduzieren. Das Ergebnis der Strategie ist äußerst überzeugend, wie beispielsweise bei der Entwicklung erster Lateral-Flow-Testgeräte, mobiler IPL-Geräte (Intense Pulsed Light) und weiterer vielseitiger medizinischer Tablet-Anwendungen.

Der grundlegende Gedanke eines solchen Baukastensystems basiert auf sogenannten "Building Blocks". Dabei handelt es sich um eigenständige Module mit spezifischen Funktionen. Neben der rein technischen Umsetzung in Hardware und Software müssen für jeden dieser Blöcke von Anfang an alle regulatorischen Anforderungen erfasst, geeignete Maßnahmen umgesetzt und die technische Dokumentation erstellt werden. Jeder dieser "Building Blocks" muss umfassend spezifiziert und vor allem verifiziert werden.

Diese Entwicklung kommt der Medizintechnik da zugute, wo Präzision und maßgeschneiderte Lösungen von entscheidender Bedeutung sind. Diese Fortschritte versprechen eine beschleunigte Markteinführung neuer Technologien und Produkte. Insgesamt stellt die Integration modularer Produktionstechnologien in Teilbereichen einen bedeutsamen Schritt dar.

Synergien und Ausblick auf die Zukunft

All diese kombinierten Technologien eröffnen nicht nur effizientere Produktionswege, sondern gestalten auch die Zukunft der Branche. Die Integration modularer Prozesse ermöglicht flexible Anpassungen und beschleunigte Entwicklungszyklen, während digitale Zwillinge und Simulationen Präzision und Qualität optimieren. Cobots setzen neue Maßstäbe in der kollaborativen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, revolutionieren Fertigungs- und Forschungsprozesse.

Der Blick in die Zukunft zeigt, dass die Synergien dieser Technologien nicht nur Kosten senken, sondern auch die Medizintechnik schneller und innovativer machen werden. Diese Kombination verspricht Fortschritte in der Patientenversorgung und eine beschleunigte Entwicklung neuer Technologien.

„Auch auf der diesjährigen MedtecLIVE vom 18. bis zum 20. Juni in Stuttgart werden die neuesten Entwicklungen in der Automatisierung der Medizintechnik von großer Bedeutung sein. Technologien wie Robotik sind entscheidend für die Weiterentwicklung der Branche. Auf der MedtecLIVE kommen Experten, Unternehmen und Innovatoren zusammen, um die Potenziale dieser Entwicklungen zu diskutieren und Lösungen zu präsentieren. Diese Veranstaltung bietet eine Gelegenheit, um in die Zukunft der Medizintechnik zu blicken“, sagt Christopher Boss, Geschäftsführer der MedtecLIVE. 

Christopher Boss
Christopher Boss, MedtecLIVE


Insgesamt wird die Medizintechnik durch diese fortschrittlichen Ansätze effektiver, präziser und patientenorientierter gestaltet, was einen vielversprechenden Ausblick auf die kommenden Entwicklungen in der Industrie 4.0 darstellt.