An der Spitze des Medizintechnik-Clusters Medical Valley EMN mit 250 Mitgliedern aus den Sektoren Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheitsversorgung und Politik steht Anna Goldsworthy. Mit ihr startet unsere neue Serie, in der wir Pionierinnen mit ihren Geschichten in der Medizintechnik vorstellen.
Medizintechnik als Berufswunsch? „Ja“, sagt Anna Goldsworthy entschieden und ein Lächeln ziert ihr Gesicht, wenn sie sich an den Anfang zurückerinnert. Zu ihrer Schulzeit galt ihre Begeisterung der Elektrotechnik. Dann erzählte eine Bekannte von ihrem Medizintechnikstudium an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: „Das fand ich extrem spannend, weil das einfach ein technischer Studiengang ist, der so viel greifbare Anwendungsnähe hat, dass ich wusste, das interessiert mich wirklich.“ Nach dem Studium tauschte sie dann Implantate, Herzschrittmacher und Röntgengeräte gegen Python, Java und JavaScript ein und schloss noch ein Informatikstudium an. Danach wusste sie, wohin die Reise gehen soll.
„Informatik, am besten Programmieren im medizinischen Bereich“: Das erfüllte sich für die damalige Bachelorandin, als sie 2018 beim Medical Valley als Software-Entwicklerin anfing. Doch immer nur an einem Projekt zu arbeiten, war ihr schnell zu wenig. „Ich habe Spaß daran, viele verschiedene Dinge zu tun. Wenn ich einen ganzen Tag im Kalender geblockt habe für ein Thema, dann ist das für mich ein trauriger Tag. Ich brauche Abwechslung, verschiedene Impulse.“ Diese Abwechslung fand sie, als sie kurz darauf im Start-up-Support anfing. Ein interner Wechsel, der sich auszahlte.
Multitalent aus Sozial- und Sachkompetenz
„Das persönliche Highlight war, als ich dann die Geschäftsführung übernommen habe“, erzählt sie etwas verlegen. „Ich war zu dem Zeitpunkt, als es in die Gespräche ging, 28 Jahre, also nicht so alt. Und ich hatte keinen riesigen Track-Record, dass ich bei drei Global Playern gearbeitet oder fünf Unternehmen selbst gegründet hätte.“ Trotzdem schlug der Vorstand sie für die Stelle der Geschäftsleitung vor. Ausschlaggebend war vor allem ihre bisherige Arbeit beim Medical Valley. Denn die junge Geschäftsführerin sei laut Kollegen und Vorstand ein Multitalent aus Sozial- und Sachkompetenz. Wer sich mit ihr unterhält, merkt, dass sie netzwerken kann, wer mit ihr arbeitet, weiß, dass sie auch umsetzt.
Ihre neue Position verlangt viel von ihr ab. Goldsworthy verlässt ihre Komfortzone. Sie befindet sich jetzt in einer Entscheiderposition für viele Projekte anstatt für ein Einzelnes. Die ersten Monate beschreibt sie, „als würde man in Flammen stehen“. Sie möchte mit Volldampf in alle Richtungen ausstreuen, alles richtig machen, auch am liebsten alles machen. Nein sagen zu Möglichkeiten und Chancen war vorerst vergessen. „Das war, glaub’ ich, mit am schwierigsten, sich anfangs als Person, in der Rolle und in der Zusammenarbeit zu finden.“
„Wenn man die Chance nicht bekommt, kann man den Weg gar nicht gehen. Ich war und bin sehr dankbar für diese Chance und dafür, dass die Menschen, die das entschieden haben, an mich geglaubt haben.“
Anna Goldsworthy - Geschäftsführerin Medical Valley
Junger frischer Wind treibt Richtung Digitalisierung
Mit Antritt ihrer neuen Stelle setzte sie sich drei große Ziele: Finanzierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Anna Goldsworthy möchte die Finanzierung von Start-ups in der Medizintechnik verbessern und die Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN) zur Modellregion für beste Gesundheitsversorgung insbesondere in Bezug auf den Digitalisierungsgrad machen. Des Weiteren soll das Medical Valley samt seinen Mitgliedern so nachhaltig wie möglich werden. So entstand in der Zusammenarbeit mit dem Umweltcluster ein Projekt zum Thema „Kreislaufwirtschaft in der Medizintechnik“. „Das ist jetzt erstmal ein kleines, aber spannendes Projekt“, findet Goldsworthy. „Das Thema wird in den nächsten Jahren so groß werden, da werden die Medizintechnikhersteller und Kliniken noch Unterstützung, Expertise und Know-how benötigen, um sich wirklich gut aufzustellen.“
Vielfalt statt Routine
Ein gewöhnlicher Arbeitsalltag stellt sich bei den immer wieder neuen großen und kleinen Projekten nicht ein. „Ich bin ich meist in neue Projekte, die sich in der Anbahnung befinden, eingebunden“, erklärt die Geschäftsführerin, „darüber hinaus trage ich beispielsweise die Verantwortung für das Projekt EDIH DigiCare. Dieses ist Teil eines von der EU-Kommission aufgebauten europaweiten Netzwerks von European Digital Innovation Hubs (EDIH’s).“ Ziel ist es, die Zeit bis zur Markteinführung von Produkten zu verkürzen. Dafür unterstützen das Medical Valley und Bayern Innovativ kleine und mittlere Unternehmen sowie Gesundheitsversorger bei der digitalen Transformation.
„Die meiste Energie für die Arbeit ziehe ich tatsächlich aus den Veranstaltungen, entweder von uns selbst oder von Partnern, wo man sich mit vielen verschiedenen Leuten über neue Ideen und Lösungen austauschen kann.“ Auf Events wie dem E-Health-Kongress oder der MedtecLIVE zeigt sie sich wortgewandt und fokussiert, lässt sich in keiner Situation aus dem Konzept bringen. Ganz so, als säße sie schon seit 30 Jahren neben Klaus Holetschek, dem bayerischen Gesundheitsminister, und Konzernvorständen wie Siemens-Healthineers-Manager Bernd Ohnesorge auf dem Podium.
Medical Valley
Das Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg (EMN) ist ein Healthcare-Cluster aus verschiedenen Akteuren in der Medizintechnik. Ziel ist es, Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Gesundheitsversorgung und Politik zusammenzubringen, um aktiv patienten-zentrierte Lösungen für Herausforderungen der Gesundheitsversorgung auf dem Markt zu etablieren. Dabei erhalten die Mitglieder bedarfsgerechte individuelle Unterstützung von der Gründungsberatung für Start-ups bis hin zum Ausgründungs-Förderprogramm für Forschende. Entscheidendes und größtes Thema, um die Gesundheit von Morgen zu gestalten, ist die Digitalisierung.