Mit der ISO 10993-1:2018 und der ISO 10993-18:2020 hat die Bedeutung der Materialcharakterisierung durch chemische Analysen im Zuge der biologischen Beurteilung von Medizinprodukten stark zugenommen.
Mit der ISO 10993-1:2018 (Biologische Beurteilung von Medizinprodukten – Teil 1: Beurteilung und Prüfungen im Rahmen eines Risikomanagementsystems) und der ISO 10993-18:2020 (Biologische Beurteilung von Medizinprodukten – Teil 18: Chemische Charakterisierung von Werkstoffen für Medizinprodukte im Rahmen eines Risikomanagementsystems) hat die Bedeutung der Materialcharakterisierung durch chemische Analysen im Zuge der biologischen Beurteilung von Medizinprodukten stark zugenommen.
Auch im Hinblick auf das 3R-Prinzip mit dem Ziel, Tierversuche vollständig zu vermeiden (Replacement), die Zahl der Tiere (Reduction) und ihr Leiden (Refinement) in Versuchen auf das unerlässliche Maß zu beschränken, ist die Materialcharakterisierung der Medizinprodukte mittels chemischer Analysen unerlässlich geworden.
GBA Medical Device Services arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich mit zahlreichen Herstellern von Medizinprodukten zusammen, um die Patientensicherheit durch passgenaue chemische Analysen zu verbessern, und setzt die deutlich erweiterten Anforderungen bereits direkt seit Erscheinen der ISO 10993-18:2020-01 (DIN EN ISO 10993-18:2021-03) und der aktualisierten ISO 10993-18:2020-01 + Amd 1:2022-05 (DIN EN ISO 10993-18:2023-11) um.
Dazu eine Fallstudie:
Für einen Kunden führte GBA Medical Device Services eine chemische Analyse nach ISO 10993-18:2020 an einem chirurgischen Implantat aus einer Titanlegierung durch. In diesem Fall wurden die Extraktionen in einem polaren, semipolaren und unpolaren Lösungsmittel durchgeführt, um ein weites Spektrum an extrahierbaren organischen Substanzen zu erfassen. Die Extraktionen erfolgten bei 37 °C (Temperatur des menschlichen Körpers) und berücksichtigten sowohl anwendungssimulierende wie auch intensivierte Extraktionsbedingungen jeweils mit Bestätigung einer erschöpfenden Extraktion.
Die Extrakte wurden unter anderen mittels Gaschromatographie gekoppelt mit einem Massenspektrometer und einem Flammenionisationsdetektor untersucht. Dabei lag der Fokus auf dem Nachweis von flüchtigen und semiflüchtigen organischen Verbindungen (VOC und SVOC). Die GC-MS/-FID Analyse zeigte folgendes Ergebnis: Caprolactam (CAS 105-60-2), dem Monomer des Polyamids 6, wurde entsprechend seiner Löslichkeitseigenschaften im polaren und semipolaren Extrakt nachgewiesen.
Aufgrund unserer über 25-jährigen Material- und Prüfexpertise konnten wir die Substanz der eingesetzten Produktverpackung aus Polyamid wie auch, in einer gemeinsam mit dem Kunden durchgeführten intensiven Prozessanalyse, bestimmten Bedingungen beim Verpackungsprozess, durch die die Freisetzung von Caprolactam begünstigt wurde, zuordnen. Diese Verunreinigung war somit eindeutig vermeidbar.
Unser Kunde konnte in der Folge durch die Anpassung des Verpackungsprozesses die Verunreinigung unterbinden und so die Patientensicherheit gewährleisten. Durch weitere chemische Analysen ohne positive Befunde konnten anschließend alle Anforderungen der ISO 10993-18:2020 an ein chemisch inertes und sauberes Medizinprodukt erfüllt werden und damit zusätzliche Tierversuche zum Nachweis verschiedener biologischer Endpunkte entsprechend der ISO 10993-1:2018 vermieden werden. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig chemische Analysen in der Medizintechnik geworden sind.
In diesem Zusammenhang ist aber auch anzumerken, dass Art und Empfindlichkeit der chemischen Analysen eine entscheidende Rolle spielen. Für das Medizinprodukt aus unserer Fallstudie hätte zum Beispiel eine TOC (Total Organic Carbon)-Analyse es erstens aufgrund der grundlegenden Empfindlichkeit des Analyseverfahrens nicht erlaubt, die Verunreinigung überhaupt festzustellen, und hätte zweitens auch keine Identifizierung der Verunreinigung ermöglicht.