Interview MedtecLIVE 2024

Interview: „Die Begeisterung für Innovationen in der Medizintechnik bleibt ungebrochen“

Welche Bedingungen finden Gründer aktuell in der Medtech-Branche vor? Darüber sprachen wir mit Kurt Höller, seit 2023 Geschäftsführer von EIT Health Germany-Switzerland. Als Direktor für Business Creation und InvestHealth unterstützte er über 1000 Start-ups bei der Einwerbung von 3 Milliarden Euro.

Herr Höller, wie ist die Stimmung in der Gründerszene?

Kurt Höller: Die Stimmung ist derzeit gemischt, jedoch überwiegend optimistisch. Trotz der Hürden, die durch die strengen Regulierungen und die hohen Markteintrittsbarrieren in Europa entstehen, bleibt die Begeisterung für Innovation in der Medizintechnik ungebrochen. Gründer sind sich der potenziellen positiven Auswirkungen ihrer Technologien auf das Gesundheitswesen bewusst und sind motiviert, Lösungen für bestehende Probleme zu entwickeln.

Zudem werden viele Gründer durch den schnellen technologischen Fortschritt und die Verfügbarkeit neuer Werkzeuge wie Künstlicher Intelligenz, Big Data und personalisierter Medizin inspiriert. Diese Technologien eröffnen neue Möglichkeiten, die Patientenversorgung zu verbessern und bestehende Herausforderungen im Gesundheitswesen anzugehen. Auch gibt es eine wachsende Unterstützung durch Förderprogramme, Inkubatoren und Netzwerke, die den Gründern Zugang zu Ressourcen, Mentoren und Investoren bieten.

Die Medizintechnikbranche befindet sich in Europa in schwierigem Fahrwasser, auch angesichts hoher Zulassungshürden. Was motiviert Unternehmensgründer, trotzdem den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen?

Kurt Höller: Es sind mehrere Faktoren. Zum einen besteht häufig ein starker persönlicher Antrieb, das Gesundheitswesen durch innovative Technologien und Lösungen zu verbessern. Viele Gründer haben persönliche oder berufliche Erfahrungen, die sie dazu inspirieren, konkrete Probleme anzugehen.

Zum anderen gibt es in Europa ein robustes Netzwerk aus Förderprogrammen, Inkubatoren und Acceleratoren, die Start-ups unterstützen. Organisationen wie EIT Health bieten nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch Zugang zu Mentoren und Netzwerken, was den Gründern wertvolle Ressourcen zur Verfügung stellt. Ein weiterer motivierender Faktor ist die Initiative des European Health Data Space (EHDS), die eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten in der Forschung und Innovation ermöglicht. Dies schafft eine vielversprechende Grundlage für neue Entwicklungen und Anwendungen in der Medizintechnik.

Gibt es einen Teilbereich der Medizintechnik, in dem Sie aktuell besonders viel Potenzial für Start-ups erkennen?

Kurt Höller: Ein Bereich mit großem Potenzial ist die digitale Gesundheit, insbesondere Telemedizin und mobile Gesundheitslösungen. Die Nachfrage nach solchen Technologien ist durch die Pandemie stark gestiegen, und sie bieten vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung der Patientenversorgung sowie Kosteneffizienz.

Ein weiterer vielversprechender Bereich ist die personalisierte Medizin, einschließlich Genomik und KI-gesteuerten Diagnosetools. Diese Technologien ermöglichen maßgeschneiderte Behandlungen und verbessern die Präzision der medizinischen Diagnostik erheblich. Auch in der Robotik, insbesondere in der Chirurgie und Rehabilitation, sehen wir spannende Lösungen, deren Entwicklungen zwar kostenintensiv sind, aber die dennoch die medizinische Praxis revolutionieren könnten.

Unternehmensgründer starten mit Begeisterung und Know-how. Wie viele schaffen es, die oft lange Durststrecke bis zum Verkaufsstart ihrer Produkte und Services zu überstehen? Und wie viele können sich langfristig am Markt etablieren?

Kurt Höller: Die Erfolgschancen für Medtech-Start-ups haben sich in den letzten Jahren verbessert, dank einer Vielzahl von Unterstützungsmechanismen und einem wachsenden Innovationsökosystem. Während die frühe Phase bis zum Markteintritt herausfordernd bleibt, zeigen Schätzungen, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Medtech-Start-ups diese Hürden erfolgreich überwinden.

Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich oft durch eine klare Vision, starke Partnerschaften und die Fähigkeit aus, flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren. Unterstützungsprogramme und Netzwerke, die Beratung und Ressourcen bieten, spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle für den langfristigen Erfolg.

Mit der richtigen Unterstützung und einer klaren Vision können Start-ups nicht nur die Durststrecke bis zum Markteintritt überwinden, sondern sich auch langfristig erfolgreich am Markt etablieren und einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung für alle leisten. 

Herr Höller, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person

Dr. Kurt Höller ist seit September 2023 Geschäftsführer von EIT Health Germany-Switzerland. Davor war er von 2012 bis 2015 maßgeblich am InnoLife-Konsortium als Vorläufer von EIT Health und der Gründung des deutschen EIT Health Co-Location Centers beteiligt. Ab 2015 prägte er als Direktor für Business Creation und InvestHealth die Startup-Programme von EIT Health. Vor seiner Zeit bei EIT Health war er als Gründungsdirektor des Zentralinstituts für Medizintechnik (ZIMT) an der FAU Erlangen-Nürnberg tätig. Höller ist selbst Co-Founder mehrerer erfolgreicher Unternehmen.

DIGITAL_EIT Health logo_Landscape Full Colour.png (0.1 MB)