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Oberflächen mit Funktion: Highspeed-Laser machen Bakterien das Leben schwer

Oberflächen durch Lasertechnik zu verändern, ist nicht neu. Es kostengünstig und in großen Stückzahlen zu tun, aber schon. Das Know-how dazu besitzt Surfunction. Das Saarbrücker Start-up funktionalisiert Oberflächen von Implantaten oder OP-Instrumenten so, dass schädliche Keime keine Chance haben.

Welche Vorteile optimierte Oberflächen bieten, zeigt die Natur: Bekannt ist das Beispiel des Hais, dessen Haut mit ihren winzigen Bergen und Tälern es ihm erlaubt, nahezu ohne Reibungsverluste durch Wasser zu gleiten. Oder die schillernden Farben auf Schmetterlingsflügeln: Sie entstehen nicht durch Farbpigmente, sondern durch komplexe Nanostrukturen. 

Die Nachbildung dieser natürlichen Phänomene im industriellen Maßstab war ein Problem, an dessen Lösung lange gearbeitet wurde: Erst die Forschungsarbeiten von Frank Mücklich, Professor für Materialwissenschaft an der Universität des Saarlandes, und Andrés Lasagni, heute Professor für laserbasierte Fertigung an der TU Dresden, schufen die Grundlage dafür.

Hochpräzise Strukturen – wie in der Natur

Die von ihnen Ende der 1990er-Jahre in Saarbrücken erfundene Direct Laser Interference Patterning(DLIP)-Technologie nutzt das Prinzip der Interferenz, vergleichbar mit der Wechselwirkung von aufeinandertreffenden Wasserwellen. Die Wissenschaftler wendeten das Prinzip auf Lichtstrahlen an, die aufgespalten und so überlagert werden, dass sie an der Materialoberfläche interferieren. Das Ergebnis sind hochpräzise Strukturen, wie sie zuvor nur in der Natur zu finden waren – eine Revolution der Oberflächenmanipulation auf mikroskopischer Ebene.

Das in Saarbrücken über Jahre aufgebaute Know-How ist Teil der DNA der SurFunction GmbH geworden: Im Jahr 2020 wurde das Start-up, ausgestattet mit erheblichen Eigenmitteln und mit finanzieller Unterstützung weiterer Investoren, von Frank Mücklich, Andrés Lasagni und Dominik Britz als Geschäftsführer gegründet. Mit Ralf Zastrau als weiterem Gründer und Geschäftsführer, der seine Erfahrung in der Oberflächentechnik aus der mittelständischen Wirtschaft und internationalen Konzernen einbrachte, nahm Surfunction 2021 den Geschäftsbetrieb auf. 

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Die Firmengründer (v. l.): Andrés Lasagni, Dominik Britz, Frank Mücklich, Ralf Zastrau ©Surfunction

Verbesserte Produkteigenschaften

Als Student bei Frank Mücklich und dann als stellvertretender Leiter des Saarländer Steinbeis Forschungszentrum MECS hatte Dominik Britz die DLIP-Technologie weiterentwickelt und den Transfer vom Laborexperiment bis in die industrielle Anwendung begleitet. So konnte Surfunction zum Start auf die neueste Generation namens ELIPSYS (Extended Laser Interference Patterning System) zurückgreifen. „Mit unserer patentierten Technologie erzeugen wir komplexe Oberflächenstrukturen besonders schnell und wirtschaftlich. ELIPSYS erhöht Geschwindigkeit und Effizienz gegenüber dem bisherigen Standard um den Faktor 1000“, berichtet Dominik Britz.

Nicht zuletzt werden die Produkteigenschaften verbessert. Je nach Verwendungszweck können Oberflächen so bearbeitet werden, dass sie antihaftend, antibakteriell, energieeffizient, reibungsarm, elektrisch hochleitend oder auch fälschungssicher sind. „Das ist ein Wendepunkt in der Herstellung und Funktionalisierung von Materialien für verschiedenste Industriezweige“, ist sich der Geschäftsführer sicher. Viele Einsatzfelder, etwa im Automobilbau oder in der Energieerzeugung, sind möglich bzw. bereits erprobt.

Während die elektrische Leitfähigkeit zum Beispiel bei der Entwicklung effizienter Steckverbindungen wichtig ist, ist die antibakterielle Eigenschaft für Anwendungen in der Medizin besonders interessant. Um hier die Weichen auf Wachstum zu stellen, wurde vor einem Jahr ein eigener Unternehmensbereich gegründet, der von Elke Lieb geführt wird. In verschiedenen Forschungsprojekten und Machbarkeitsstudien konnte Surfunction nachweisen, dass an mit DLIP-veränderten Oberflächen bis zu 80 Prozent weniger Bakterien anhaften. „Bei Implantaten muss verhindert werden, dass sich ein pathogener Biofilm festsetzt. Das erreichen wir durch die Adhäsion von erwünschten Zellen, die wir durch funktionalisierte Oberflächen fördern“, berichtet Lieb.

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Mittels DLIP-Technologie bearbeitete Oberfläche  ©Surfunction

Effiziente Alternative zu PFAS

Im nächsten Schritt will Surfunction durch die Entwicklung von maßgeschneiderten B2B-Geschäftsmodellen Partner aus der Industrie für die Serienproduktion gewinnen. Alternativ kann die Oberflächenbehandlung entweder in den Maschinenpark des Kunden integriert oder als Service im Surfunction-eigenen Kompetenzzentrum angeboten werden. Am Hauptsitz in Saarbrücken liegt der Schwerpunkt auf Produktentwicklung und Materialanalyse sowie der Weiterentwicklung komplementärer Oberflächentechnologien. Zudem erfolgt dort die Funktionalisierung kleiner bis mittlerer 2D-Bauteile. In Dresden befindet sich mit der SurFunction TEC das Kompetenzzentrum für die Entwicklung und Fertigung der nächsten Generation von DLIP-Optiken.

Als ein interessanter Hebel für die Skalierung im Medizinsegement hat das Start-up das drohende Verbot von PFAS ausgemacht. Derzeit scheint die Aufgabe, diese Fluorverbindungen zeitnah zu ersetzen, noch vielfach ungelöst. „Da steht die Industrie sehr unter Druck und wir sehen erhebliches Potenzial, da wir eine effiziente Alternative ganz ohne Chemie bieten“, so Elke Lieb. Und wenn es doch ganz anders kommt und der Einsatz der Ewigkeitschemikalien teilweise erlaubt bleibt? „Dann können wir flexibel darauf reagieren, weil wir uns eben nicht auf Implantate fokussieren, sondern auch medizinische Instrumente im Blick haben. Surgical Robotics ist ein spannendes Thema, was mich persönlich sehr antreibt“, sagt Lieb.

Derzeit ist sie dabei, zusammen mit einem kleinen Vertriebsteam, Kongresse und Fachmessen wie die MedtecLIVE zu besuchen, um neue Kunden zu gewinnen. Hilfreich sind natürlich auch öffentlichkeitswirksame Erfolge wie der zweite Platz beim Start-up-Award für biologischen Transformation im Maschinenbau, den Surfunction beim Deutschen Maschinenbau-Gipfel in Berlin Ende 2023 erreicht hat.

Grenzüberschreitende Gesundheitsregion

Mit seinem Standort in der Großregion Saarland sieht sich Surfunction ideal platziert. In der mit fast 12 Millionen Einwohnern größten grenzüberschreitenden Region in Europa treffen Luxemburg, Frankreich, Deutschland und Belgien zusammen und das Start-up findet gute Voraussetzungen für die geplante Internationalisierung des Geschäfts gerade im Medizinbereich vor.  „In der grenzüberschreitenden Gesundheitsregion haben wir und unsere Partner aus der Industrie eine ideale Plattform, um die Bedingungen der anderen Länder kennenzulernen, etwa wie die jeweiligen Gesundheitssysteme strukturiert sind“, findet Britz.

Eine sehr exklusive Stufe der „Internationalisierung“ hat das Unternehmen bereits erreicht: Für Forschung zum Verhalten von Mikroorganismen auf metallischen Oberflächen reiste der von Surfunction bearbeitete „SpaceSpoon“ in die irdische Umlaufbahn: ESA-Astronaut und Werkstoffkundler Matthias Maurer – ebenfalls ein ehemaliger Studierender von Frank Mücklich – nahm 2022 drei dieser Löffel mit auf die ISS, um die dort laufenden wissenschaftlichen Experimente in einen Zusammenhang mit der täglichen Nahrungsaufnahme zu bringen. 

Surfunction GmbH
Gründungsjahr 2020
Sitz 66123 Saarbrücken
Gründer Prof. Dr. Frank Mücklich, Prof. Dr. Andrés Lasagni, Dr.-Ing. Dominik Britz, Ralf Zastrau
Anzahl Mitarbeiter 16
Website www.surfunction.com