Interview MedtecLIVE 2024

Validierung: „Normkonformität bedeutet, dass alles dokumentiert ist, was den Prozess betrifft“

Laut Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte haben sich die Risikomeldungen vervielfacht, oft wegen „unzureichender Fertigungsprozesse“. Um Fehler zu vermeiden, ist die Validierung von Prozessen zentral. Darüber sprachen wir mit dem Experten Robert Schreiner von Novoplast Schlauchtechnik.

Herr Schreiner, haben Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Dienstleister für die Validierung schon mangelhafte Fertigungsprozesse im Sinne der bestehenden Normen vorgefunden?

Robert Schreiner: An dieser Stelle möchte ich auf einen wesentlichen Aspekt hinweisen, der bei normkonformen Prozessen oft übersehen wird: Ich habe Fertigungsprozesse erlebt, die absolut robust liefen und die geforderten Ergebnisse innerhalb des Toleranzfelds lieferten. Normkonformität bedeutet jedoch nicht nur, dass die Prozesse die gewünschten Ergebnisse erzielen, sondern auch, dass buchstäblich alles dokumentiert ist, was diesen Prozess betrifft. Bei der Dokumentation wird jedoch oft etwas vergessen, weggelassen oder nicht aktualisiert. Um die Frage präzise zu beantworten: Ja, ich habe bereits Prozesse vorgefunden, die mangelhaft dokumentiert waren und somit nicht den Vorgaben der Norm entsprachen.


Klar, die Prozesse sind in jedem Unternehmen ein wenig anders. Aber nach welchen Grundprinzipien läuft ein Validierungsprozess üblicherweise ab?

Robert Schreiner: Die aktuell gängigen Begriffe zur Durchführung einer Validierung sind durch die GHTF, die Global Harmonization Task Force-Guideline, geprägt und finden heute weltweit Anwendung. Ein validierungspflichtiger Prozess durchläuft nach diesem Leitfaden die erforderliche Qualifizierung in drei Schritten:

  • IQ – Installation Qualification (Installationsqualifizierung)
  • OQ – Operational Qualification (Funktionsqualifizierung)
  • PQ – Performance Qualification (Leistungsqualifizierung)

OQ und PQ beziehen sich auf Prozesse, während IQ auf die bei der Durchführung verwendeten Geräte angewendet wird. 

Als vierten Prozessschritt einer Validierung gibt es noch die DQ – Design Qualification (Design-Qualifizierung). Design-Qualifizierungen sind in Medizintechnikprozessen allerdings weniger üblich und werden eher in der Pharmaindustrie durchgeführt.

Können im Rahmen einer Validierung auch Potenziale für mehr Effizienz und damit zur Senkung von Produktionskosten aufgedeckt werden?

Robert Schreiner: Ja, selbstverständlich! Zwangsläufig setzt sich eine Validierung intensiv mit den Prozessen auseinander. Wenn im Rahmen der Validierung Optimierungspotenzial ermittelt wird, kann dies zum Anlass genommen werden, den Prozess neu auszurichten. Natürlich können dadurch zunächst Investitionskosten entstehen, die jedoch im Nachgang die Produktionskosten nachhaltig senken können. Selbstredend ist dies abhängig von einer Gesamtbetrachtung hinsichtlich des Nutzens und Aufwands von Qualität und Quantität der Prozessergebnisse.

masterflex-group_downstream_processes_in_medical_technology Kopie.png (0.7 MB)Robert Schreiner und das Medical Team planen die Durchführung einer Validierung.  ©Novoplast Schlauchtechnik

Novoplast Schlauchtechnik und Fleima-Plastic, die beiden Medizintechnikmarken der Masterflex Group, sind bekannt als Hersteller von Schläuchen bzw. Spritzgussteilen für die Medizintechnik. Können Sie auch medizintechnische Prozesse jenseits dieser Produktgruppen validieren?

Robert Schreiner: Unsere Validierungen gehen einher mit unserer Beratung sowie unserer Projektbetreuung im Vorfeld. Bei der Unterstützung während der Entwicklung neuer Produkte können wir den Kunden bereits zu Prozessen raten, die entweder bereits etabliert sind und somit eine geringere Validierung erfordern. Handelt es sich um ein neues Verfahren, können wir eventuell die Randbedingungen beeinflussen, sodass auch hier die Validierungen schlank gehalten bzw. weggelassen werden können. Wir sind kundenorientiert und zielen nicht darauf ab, unsere Validierungsleistungen überall mit einfließen zu lassen. Falls der Kundenwunsch jedoch darin besteht, vor Ort eine Prozessvalidierung vorzunehmen, können wir auch dies gewährleisten.


Akademien bieten den Erwerb von Grundlagenwissen zum Thema Prozessvalidierung oft in zweitägigen Schulungen an. Kann das ausreichend sein? Wann sollten Unternehmer lieber auf externe Validierungsspezialisten zugehen?

Robert Schreiner: Auf irgendeine Art und Weise muss man sich mit den Grundlagen einer Validierung vertraut machen. Dafür sind diese Kurse empfehlenswert. Ausschlaggebend ist jedoch die praktische Anwendung im Nachgang. Aus einem rein theoretischen Ansatz heraus eine vollumfängliche Validierung zu entwickeln, ist die eigentliche Herausforderung. Ein gefestigtes Grundwissen lässt sich nur durch die ständige Betreuung von Validierungsprozessen erreichen. Für Fort- und Weiterbildungen nehme auch ich regelmäßig an solchen Kursen teil. Der Erfahrungsaustausch vor Ort mit den erfahrenen Dozenten und ggf. auch anderen Teilnehmern ist immer eine Bereicherung. Man lernt nie aus!


Der Aufwand für eine Validierung kann sicher sehr unterschiedlich sein. Wie berechnen sich grundsätzlich die Kosten dafür?

Robert Schreiner: Man könnte jetzt einen einfachen Ansatz wählen und die Aussage treffen, dass es an einem vorgeschriebenen Stundensatz festgemacht wird. Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit. Es ist viel mehr abhängig vom Umfang der Losgröße, der Tests mit eventuellen externen Laboren, der entsprechenden Iterationsschritte, der gebundenen Ressourcen und entsprechenden Abweichungen während der OQ/PQ gegenüber dem ursprünglichen Validierungsplan.


Herr Schreiner, vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person

Robert Schreiner ist gelernter Kfz-Mechatroniker und studierter Maschinenbauer. Sein Masterstudium mit dem Schwerpunkt Produktentwicklung schloss er 2021 ab. Berufliche Erfahrungen sammelte Schreiner bei Bosch und bei mittelständischen Unternehmen. Nach einer Station als Standortleiter und Bereichsleiter Produktion bei Sana-One ist er seit 2022 als Prozessentwickler und Ingenieur für Validierung in der Medizintechnik bei Novoplast Schlauchtechnik tätig. Das Unternehmen bietet Schlauchlösungen für die Industrie- und Medizintechnik; mit ca. 300 Typen umfasst das Angebot nahezu alle thermoplastisch verarbeitbaren Kunststoffe. Novoplast Schlauchtechnik ist Teil der Masterflex Group.